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Charles Aznavour, eine Geschichte größer als das Leben

Im Kunstverein Peschkenhaus erinnert der Hamburger Chansonnier Stephan Hippe an das Lebenswerk eines Ausnahmekünstlers. Der multimediale Abend steht unter dem Motto „Charles und wie er die Welt sah“.

„Poesie ist das, was in unseren Köpfen spazieren geht. Wenn wir die Probleme des Lebens hinter uns lassen“, erklärte Charles Aznavour. Niemand konnte Zärtlichkeit, Menschlichkeit, Lebensweisheiten und einen beharrlichen Überlebenswillen so eindringlich in Chansons ausdrücken wie er – und das alles in einfühlsamen Gesang gegossen. Seine Chansons, die er in fünf Sprachen sang, handelten vom Leben und waren von einer poetischen Kraft durchdrungen, die in der Welt der Lieder ihresgleichen sucht. Der letzte große Entertainer des 20. Jahrhunderts starb 2018 im Alter von 94 Jahren. Im nächsten Jahr wäre „der Napoleon des Chansons“, wie er in der Szene anerkennend auch genannt wurde, 100 Jahre alt geworden.

Chansonnier Stephan Hippe erinnert in seinem Programm „Charles und wie er die Welt sah“ am Samstag, 16. September, 20 Uhr, im Kunstverein Peschkenhaus an Charles Aznavour. Die musikalische Biografie der „Nouvelle Vague“ lädt ein zu den schönsten Liedern, Geschichten und virtuellen Duetten von und mit Charles Aznavour. In einer multimedialen Hommage von O-Tönen, Bildern, Filmen und viel Musik erinnert Stephan Hippe an den Meister des Chansons. In der Region und darüber hinaus ist der Auftritt in Moers der einzige des Hamburgers.

Von Anfang an gehörte seine musikalische Liebe dem Chanson. Seine Lesungen und musikalischen Programme führten ihn quer durch Deutschland und auch nach Frankreich. Um die Jahrtausendwende kreuzten sich die Wege von Stephan Hippe und Charles Aznavour. Zu seinem 90. Geburtstag autorisierte er die von Hippe angefertigte deutsche Übersetzung seines Chansons „Sa Jeunesse“.

2012 entwickelte der Hamburger Chansonnier Soloprogramme, die das goldene Zeitalter des Chansons beleuchten und der Ära neuen Glanz verliehen. „Charles und wie er die Welt sah“ ist eine Einladung, einen außergewöhnlichen Menschen kennenzulernen, der 86 Jahre seines Lebens auf der Bühne stand.

1.300 Titel hat Aznavour in acht S p r a c h e n geschrieben und 91 Alben aufgenom – men, die sich über 180 Millionen Mal verkauften. Die Rolle seines Lebens spielte er schon 1960 als tragischer Pianist in François Truffauts NouvelleVague-Klassiker „Schießen Sie auf den Pianisten“. Gewohnt opulent erzählt Stephan Hippe die Geschichte von Charles Aznavour, die größer ist als das Leben. Mit dem Satz: „Ich stehe auf den Schultern eines 1,61 Meter großen Riesen“, eröffnet der Künstler die Zeitreise durch das Leben des Meisters. Premiere feierte die Hommage an den französischen Sänger und Schauspieler in der Hamburger Kammeroper im September 2021. In Bild und Ton hat Hippe diese Hommage aufwendig orchestral neu arrangiert und mit Nachdichtungen angereichert. Persönliche und unveröffentlichte Erinnerungen der Familie erweitern den Blick auf das Lebenswerk eines Ausnahmekünstlers.

Aznavour wurde 1924 als Sohn armenischer Flüchtlinge im Pariser Quartier Latin geboren. Aus Schahnur Waghinak Asnawurjan wurde später sein Künstlername Charles Aznavour. Gesegnet mit vielen Talenten stieg er schnell zu einem Topstar der französischen Unterhaltungsindustrie auf, agierte in Filmen, auf der Bühne und berührte vor allem mit seinen Chansons die Menschen. Entdeckt hatte ihn 1947 keine Geringere als Edith Piaf. „Ein Chanson von Aznavour ist wie eine Umarmung“, so beschrieb sein Publikum die Wirkung seiner Lieder. Er besang das Leben, die Liebe, die Außenseiter, Kriegskinder wie Lebenskünstler, ihr Scheitern wie ihr mutiges Aufstehen. Mutmachergeschichten eben, die damals wie heute zur Identifikation einladen und durch die Musik in den Herzen bleiben. Drei Mal war Aznavour verheiratet. Im August 2017 wurde er auf dem Hollywood Walk of Fame mit einem Stern verewigt. In Osaka stand er im September 2018 zum letzten Mal auf der Bühne. Am 1. Oktober hörte sein Herz auf zu schlagen. Er starb mit 94 Jahren an einem Herzstillstand.